Die
aktuelle politische Lage lässt die Beschäftigung mit dem Rundfunkbeitrag wieder
einmal trivial erscheinen. Aus der Distanz erscheint Europa im allgemeinen und
Deutschland im besonderen zunehmend am Rande des Zusammenbruchs zu stehen. Ein
französischer Arbeitskollege, den ich letzte Woche beim ersten
Aufeinandertreffen nach den Pariser Anschlägen fragte, ob er seinen Schock
schon verwunden habe, meinte darauf nüchtern, dass er gar nicht schockiert
gewesen sei. Denn eine solche Katastrophe sei nur eine Frage der Zeit gewesen.
Was – wie mir sofort einfiel – uneingeschränkt auch über Deutschland gesagt
werden kann. Es steht inzwischen außer Frage, dass es auch dort jederzeit zu
einem terroristischen Anschlag kommen kann. Die Frage ist lediglich, wann dies
geschehen wird und wie lange es den Behörden noch gelingt, dies zu verhindern.
Die ohnehin schon instabile politische Lage dürfte dann von einem Extrem ins
andere kippen. Verfolgt man die Nachrichten aus dem Ausland, ist den
Berichtenden die Unsicherheit deutlich anzumerken. Und vielleicht muss es erst
so kommen, bevor Politik und Presse aufwachen und nicht nur gegen die Situation
ausnutzende Rechte anschreiben und vorgehen, sondern auch gegen
verfassungsfeindliche islamistische Salafisten, welche mit ihrer Radikalisierung
den Terror erst ermöglichen. Vielleicht muss erst ein Anschlag erfolgen, bevor
aus Syrien heimkehrende deutsche Staatsbürger nicht zurück ins öffentliche
Leben gelassen werden, weil man dann endlich die Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung weltweit unter Strafe stellt, und nicht nur die im
eigenen Land. Vorerst muss man feststellen, dass auch die Anschläge von Paris
nicht dazu führen, eine seit langem verzerrte religiöse Toleranz zugunsten der
allgemeinen Sicherheit zu überdenken – dass aber die Behörden in der Realität
angekommen sind und viel effektiver und zielgenauer arbeiten, als man es ihnen
noch vor kurzem zugetraut hatte.
Angesichts dessen
fällt es mir schwer, mich mit dem im Vergleich dazu unbedeutenden Thema Rundfunkbeitrag
zu beschäftigen. Aber abgesehen davon, dass die Affäre um Xavier Naidoo’s erst
aufoktroyierte, dann zurückgezogene Teilnahme am Eurovision Contest einmal mehr
unterstreicht, wie selbstherrlich und lächerlich die ARD auftritt und wie verwundbar
sie sich dadurch macht – es gibt Neuigkeiten.
So ist inzwischen durch meinen Anwalt die Begründung für den Antrag auf
Zulassung zur Berufung ergangen. Diese beruht auf “ernstlichen Zweifeln an der
Rechtmäßigkeit des Urteils” nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese Zweifel werden
mit der grundrechtswidrigen Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags begründet. Als
Vorzugslast und damit Gebühr oder Beitrag darf die Medienabgabe nicht an das
bloße Vorhandensein einer Wohnung geknüpft werden, denn diese ist “ein Grundbedürfnis
des menschlichen Daseins”, Mediennutzung aber nicht. Daraus folgt ein Verstoß
gegen Art. 104a ff. GG.
Ferner wird auf die fehlende Gegenleistung verwiesen. Wie ich selbst in
früheren Postings geschrieben habe ist die Voraussetzung für die Erhebung eines
Beitrags ein dadurch entstehender Nutzvorteil. Hier verweist der Anwalt auf ein
Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 juris, Rn. 39
und 41), in dem explizit gesagt wird, dass Medienabgaben „nicht als Entgelt für
die durch den Rundfunk gebotenen Leistungen im Sinn eines Leistungsaustausches“
zu betrachten sind. Die Ausgestaltung als Vorteilslast steht damit im
Widerspruch zur bestehenden Rechtsprechung.
Es wird ferner auf
den Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz Art. 3 Abs. 1 GG verwiesen, von dem
ich auch in meiner Klagebegründung schrieb. Da der Rundfunkbeitrag von der
Allgemeinheit erhoben wird, gleichzeitig aber eine mit Nutzvorteilen verbundene
Sonderabgabe sein soll, wird wesentlich Ungleiches gleich behandelt, was das
entscheidende Kriterium einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG ist. Die mit der
Gleichsetzung von Rundfunknutzern und Wohnungsinhabern erfolgende unzulässige
Typisierung, auf die ich ebenfalls mehrmals hingewiesen habe, stellt ebenfalls
einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar.
Letztlich stellt die Verweigerung der Berufung einen Verstoß gegen Art. 19
Abs. 4 GG dar, da dem Kläger kein anfechtbarer Verwaltungsakt erteilt wird und
er dadurch gezwungen wird, den Rechtsweg durch Nichtzahlung der Abgabe
beizubehalten. Das ist nun etwas Neues: im Grunde wäre durch das Urteil aus 1.
Instanz die Forderung der Rundfunkanstalt an mich vollstreckbar. Würde sie dies
allerdings tun, ohne dass mir die Berufung offensteht, kann ich die Zahlung
unter Hinweis darauf verweigern und somit die Aufnahme eines neuen
Rechtsstreits durch die Rundfunkanstalt erzwingen – nämlich um die Frage, ob
eine Forderung aus einem erstinstanzlichen Urteil auch dann vollstreckt werden
kann, wenn dem Schuldner die Berufung verweigert wird. Das ist ein
hochbrisanter Punkt. Die Rundfunkanstalt hat mit Aufnahme des Verfahrens auf
eine Vollstreckung bis zum richterlichen Entscheid verzichtet – zum einen
sicherlich, um sich nicht mehr Arbeit als nötig aufzuhalsen, zum anderen aber
bestimmt auch zur Vermeidung von Rückzahlungspflichten. Denn die würden wie im
umgekehrten Fall verzinst.
Das erklärt auch, warum es recht wahrscheinlich ist, dass das Verfahren bis
zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im nächsten Jahr ruhend gestellt
wird. Würden erstinstanzliche Beschlüsse, die in die Berufung gehen,
vollstreckt, und würden Oberwaltungsgericht oder Bundesverfassungsgericht am
Ende doch beschließen, dass der Rundfunkbeitrag grundrechtswidrig ist, müssten
die Beiträge aus allen knapp 4400 laufenden Verfahren komplett und verzinst
erstattet werden. Das entspräche in etwa einer im Vergleich zum Gesamtetat
bescheidenen Million Euro, aber die Kompromissbereitschaft zeigt, dass sich der
öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner juristischen Sache längst nicht so sicher
ist, wie er offiziell tut.
Zum Schluss wie
angekündigt ein Vergleich zwischen meinen bisher angelaufenen Kosten im
Vergleich zum dem, was ich im Falle der Zahlung des Rundfunkbeitrags bezahlt
hätte:
Bisherige Rechtskosten: Gerichtskostenvorschuss €105.00
Voraussichtliche Gesamtkosten der 2. Instanz (bei Klageabweisung) €487.00
Die Forderung der Gegenseite wurde vom Gericht abgewiesen, da sie Antrag auf Terminsaufhebung gestellt hatte. Infolgedessen habe ich keine Zusatzkosten zu tragen.
Daraus folgt: wäre ich im Land geblieben, käme die Summe dessen, was ich an
Rundfunkbeiträgen bezahlt hätte, höher als die Summe der Rechtskosten, die ich
bis zum voraussichtlichen Abschluss des Rechtsstreits in 2. Instanz zu leisten
habe. Auf Mai 2016 komme ich, weil die Verhandlung vor dem
Bundesverwaltungsgericht, bis zu dem das Verfahren ruhend gestellt werden soll,
für Ende März oder Mitte April nächsten Jahres anberaumt ist. Mit einer
Urteilsverkündung ist daher frühestens im Mai 2016 zu rechnen. Dadurch, dass
ich das Land verlassen habe, entfällt dieser “Einsparungseffekt”. Aber man
sieht daran, dass die Kostenfrage sich durch die Dauer des Verfahrens aufhebt –
genauso, wie ich in meinem ersten Posting im Mai 2013 dargelegt hatte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen