Ein
Krankenhausaufenthalt hat mich daran gehindert, früher auf den 20. KEF-Bericht
einzugehen, dessen wichtigste Details zuvor schon bekannt geworden waren. Dem bleibt in
Hinsicht auf den Klageweg allerdings etwas hinzuzufügen, was nicht gerade
optimistisch für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stimmt, und im
Prinzip einen groß angelegten Aktivismus erforden würde.
Denn die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) schlägt
vor, die durch Mehreinnahmen aus dem Rundfunkbeitrag entstandenen Überschüsse,
die bis Ende 2016 eingefroren sind, mit dem angemeldeten Mehraufwand der
folgenden Beitragsperiode zu verrechnen. Daraus folgt eine Beitragssenkung für
die Zeit von 2017 bis 2020 auf €17,20. Ohne Verrechnung der blockierten Mehreinnahmen
müsste der Rundfunkbeitrag bei unveränderter Anerkennung des Finanzbedarfs auf
€17,76 angehoben werden. Die KEF nimmt es also als gegeben, dass die
Vereinbarung des Rundfunkbeitrags mit dem Grundgesetz letztlich vom
Bundesverfassungsgericht abgesegnet werden wird. Das finanzielle Risiko eines
Einnahmeausfalls im Falle einer anderslautenden Entscheidung wird nicht
kommentiert. Über die Beitragssenkung sollen die Mehreinnahmen, die
erklärtermaßen zum großen Teil auf “Direktanmeldungen” - also Mahnungen von
Zahlungsverweigerern - zurückgehen, sozusagen “zurückerstattet” werden. Die KEF
hält es also nach eigenem Ermessen für ausgeschlossen, dass der Rundfunkbeitrag
wieder abgeschafft werden könnte, denn wenn diese Mittel erst einmal verplant
worden sind, bestehen keine Rücklagen mehr, aus denen Kläger kompensiert werden
könnten, wenn das Bundesverfassungsgericht auf die
Grundrechtswidrigkeit des Rundfunkbeitrags erkennen würde. Aus Steuermitteln
dürften diese Rückvergütungen nämlich nicht erfolgen.
Zugleich weist die
KEF aber wie im letzten Post angekündigt detailliert nach, dass in der
Beitragsperiode seit Einführung des Rundfunkbeitrags 2013 massive
Umschichtungen der beantragten Mittel in den Bereich der betrieblichen
Altersvorsorge erfolgt sind, und dass ein erheblicher Anteil des zusätzlichen
Finanzbedarfs ab 2017 ebenfalls hierfür aufgewendet werden müssen. Es werden
Zweifel daran geäußert, dass die bisherigen Maßnahmen zur Kostensenkung
ausreichen werden, steigende Pensionierungskosten zu verhindern. Von den
Rundfunkanstalten wird ein umfassendes Konzept verlangt, dass diese Kostensteigerung
bis zum nächsten Prüfbericht kalkulierbarer macht. Damit gibt die KEF trotz
aller verbal geäußerter Kritik den Rundfunkanstalten letztlich nach, denn
ursprünglich hätten diesem Zweck nur die Mittel zufließen dürfen, die aus dem
Topf des daran gebundenen Anteils von €0,25 pro monatlichem Rundfunkbeitrag
gebildet werden. Die KEF kapituliert damit vor der im Budgetabgleich gut
nachvollziehbaren Tatsache, dass die Anstalten mit ihren Einnahmen letztlich
tun, was sie wollen.
Fairerweise muss dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugestanden
werden, dass sie nicht für die Mehrkosten des Pensionsaufwands verantwortlich
sind. Denn der dafür gebildete Kapitalstock wirft aufgrund der
Nullzinspolitik der EZB keine Erträge mehr ab. In der Vergangenheit getätigte Investitionen mit höherer Rendite wurden im Zuge eines strengeren Monitoring aufgrund der Finanzskandale beim MDR abgeschafft. Eine Steigerung von 5,25% wie
im Bericht angegeben entspricht anderen Betriebsrenten im öffentlichen Dienst,
so großzügig sie Beschäftigten im Privatsektor und vor allem Geringverdienern
auch erscheinen mag. Es ist allerdings auch richtig, dass öffentliche Angestellte in fast jedem anderen Fall aus Steuermitteln entlohnt werden. Während Geringverdiener weniger oder keine Steuern zahlen, und somit nicht zur Entlohnung von Staatsdienern beitragen, bleibt ihnen bei der Vergütung von Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keine Wahl. Ein weiteres rechtliches Argument gegen den Rundfunkbeitrag stellt dies aber meines Wissens nicht dar, da dieser dem Verwaltungsrecht unterliegt, das diese Problematik nicht abdeckt. Das kann es im übrigen auch kaum, da dieser Sachverhalt durch den Rundfunkbeitrag neu entstanden ist.
Für den Widerstand
gegen den Rundfunkbeitrag bedeutet dies, dass eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts noch dieses Jahr erfolgen müsste. Denn nur dann ließe
sich die Verplanung der blockierten Mehreinahmen von €1,5 Mrd. noch verhindern. Sind diese
Mittel erst einmal verplant oder aufgebraucht, kann das
Bundesverfassungsgericht nicht gegen den Rundfunkbeitrag entscheiden, ohne die
Betriebsfähigkeit des öffentlich-rechlichen Rundfunks zu gefährden - was zugleich
als Begründung dazu verwendet werden kann, dieses Konstrukt trotz grundrechtlicher Bedenken bestehen zu lassen. Beabsichtigt oder nicht, die KEF fällt mit dieser Entscheidung dem
rechtlichen Widerstand in den Rücken. Sie erleichtert dem Bundesverfassungsgericht
eine auf funktionalen Beweggründen beruhende Entscheidung und kapituliert vor dem Status Quo.
Wenn man allerdings davon ausgeht, dass ein Entschädigungsanspruch für zu Unrecht geleistete Beiträge nur denen zugute kommen würde, die tatsächlich den Rechtsweg beschritten haben - wie etwa beim Kippen der Einschränkung der Kilometerpauschale -, wäre die betreffende Summe überschaubar. Bei insgesamt etwa 4000 Klagen unter Annahme meines eigenen Streitwerts wären dies € 2 Mio. Allerdings ist schwer vorherzusehen, wie viele Klagen neu eingereicht würden, sollte das Bundesverfassungsgericht eine Grundrechtswidrigkeit des Rundfunkbeitrags erkennen. Die gesperrten Mehreinnahmen wären definitiv erforderlich, um eine Übergangslösung bis zur Wiedereinführung von Rundfunkgebühren oder Neueinführung einer Mediensteuer zu ermöglichen. Daher bleibt zu hoffen, dass sich der Entscheid des Bundesverfassungsgerichts nicht bis ins nächste Jahr hinzieht. Überraschend wäre dies allerdings nicht. Mir selbst liegt noch kein Kostenfestsetzungsbeschluss vor. Ich gehe daher davon aus, dass mein Verfahren weiterhin ruht.
Die wichtigsten
Einzelinformationen aus dem 20. KEF-Bericht sind folgende Textstellen; ich
erweitere diesen Teil in den nächsten Tagen nach und nach, da ich
gesundheitlich noch nicht wieder auf voller Höhe bin. 379 Seiten in einigen Zitaten zusammenzufassen ist aufwendiger, als es vielleicht den Anschein hat. Im übrigen wird es wohl nur wenige geben, die sich mit dem Zahlenwerk eingehend beschäftigen wollen, ohne gleich den ganzen Bericht zu lesen. Dieser kann unter kef-online.de/inhalte/bericht20/20_KEF-Bericht.pdf abgerufen werden.
S.16: ARD und ZDF melden
für 2017 bis 2020 einen Finanzbedarf von 38.517,6 Mio. € an. Das sind im 3.534,2
Mio. € oder rund 10% mehr als 2013 bis 2016. Nach Abzug der Mehreinnahmen aus
Rundfunkbeiträgen verbleiben 2.025,2 Mio. €. Davon sind 470,6 Mio. € ungedeckt.
Die KEF verringert den Finanzbedarf nach eingehender Prüfung um 965,7 Mio. €.
Dadurch ergibt sich ein Überschuss von 542,2 Mio. €. Auf dieser Grundlage wird
eine Beitragssenkung um 30 Cent vorgeschlagen.
S.19: Die KEF
erkennt für 2017 bis 2020 einen Programmaufwand von 16.653,6 Mio. € an. Beim
Personalaufwand ohne Altersversorgung erkennt die Kommission einen Finanzbedarf
von 8.742,3 Mio. € an. Der Personalbestand von ARD und ZDF wird weiter
reduziert, wobei diese Einsparungen in der ARD nahezu ausschließlich beim BR
und beim WDR erbracht werden. Das ZDF setzt ein eigenes Konzept zur
Konsolidierung bis 2020 um, womit allerdings “Fehlsteuerungen” aus 2007-2010
korrigiert werden. ARD und ZDF haben vor, Aufwendungen für Programm- und
Sachaufwand in den Personalaufwand umzuschichten. Die KEF kritisiert, dass
diese Maßnahmen ad hoc erfolgen und nicht in ein umfassendes Personalkonzept
eingebunden sind. Sie weist auf die hohen Nettoaufwendungen der betrieblichen
Altersversorgung von 2.115,0 Mio. € hin.
S.20: Die KEF hält
es für notwendig, den für die Altersversorgung zweckgebundenen Beitragsanteil
von 25 Cent über 2016 hinaus fortzuführen. Sie erkennt hierfür die von den
Anstalten angemeldete Summe von 451,3 Mio. € an.
S.21: Da bei den
Produktionsbetrieben keine substantiellen Verbesserungen der Wirtschaftlichkeit
erkennbar sind und die Anstalten auch weiterhin kein verbessertes Benchmarking
durchführen, nimmt die Kommission bei der ARD einen Abschlag von 17,2 Mio. €
bzw. beim ZDF von 1,8 Mio. € vor. Aufgrund der festgestellten
Unwirtschaftlichkeiten im Zusammenhang mit der Absetzung des Formats „Gottschalk
live“ nimmt die Kommission bei der ARD einen weiteren Abschlag von 2,1 Mio. €
vor.
S.28: Der
angemeldete ungedeckte Finanzbedarf für 2017 bis 2020 beträgt insgesamt 435,7
Mio. €. Davon entfällt auf die ARD ein Fehlbetrag von 395,6 Mio. €, das ZDF
meldet einen Überschuss von 4,5 Mio. € und das Deutschlandradio einen
ungedeckten Finanzbedarf von 44,5 Mio. € an. Hinzu kommt noch der angemeldete
ungedeckte Finanzbedarf von ARTE in Höhe von 34,9 Mio. €. Die unveränderte
Anerkennung dieses verbleibenden Fehlbetrags von insgesamt 470,6 Mio. € würde zu
einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags um monatlich 26,3 Cent führen.
S. 36: Insgesamt
ist der von der ARD im 20. Bericht angemeldete Aufwand für 2013 bis 2016 um
428,9 Mio. € größer als im 19. Bericht anerkannt. Zugleich wurden aber für das
Programm 126,9 Mio. € weniger aufgewendet als von der Kommission anerkannt.
Auch der Aufwand für die Programmverbreitung liegt mit 96,6 Mio. € unter der
Feststellung im 19. Bericht. Diese Abweichungen führen überwiegend zu
Umschichtungen in den Personalaufwand. Alle anderen Aufwandsbereiche des
Bestandsaufwands mit Ausnahme der Investitionen (-175 Mio. €) zeigen einen
Mehraufwand: Personalaufwand ohne Altersversorgung 149,6 Mio. €, betriebliche Altersversorgung
184,5 Mio. € sowie Sachaufwand 92,1 Mio. €. Insgesamt werden daher ca. drei Viertel
des zusätzlichen Aufwands (334,1 Mio. € von 429 Mio. €) im Bereich Personal
eingesetzt.
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