Sonntag, 11. August 2013

Die 1000-Euro-Frage

Es herrscht große Verunsicherung über die Frage, ob die Rundfunkanstalten - wie im Beitragsbescheid angekündigt - Bußgelder von bis zu 1000 Euro Höhe im Rahmen von Vollstreckungsmaßnahmen durchsetzen können. Viele ansonsten Klagewillige scheinen sich durch diesen Passus in der Absicht, gegen den Rundfunkbeitrag zu klagen, entmutigen zu lassen:

"Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung (§80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dies bedeutet, dass der geschuldete Betrag auch dann gezahlt werden muss, wenn Widerspruch eingelegt wird. (...) Wird der geschuldete Betrag nicht unverzüglich gezahlt, werden wir Vollstreckungsmaßnahmen einleiten. Daneben können im Ordnungswidrigkeitenverfahren Geldbußen von bis zu 1000.00 EUR verhängt werden."

Der Paragraph der Verwaltungsgerichtsordnung, auf den hier Bezug genommen wird, lautet im Volltext so:

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.



Das bedeutet:

1) Rundfunkanstalten können nicht selbstständig die sofortige Vollziehung einleiten, sondern müssen sie beim zuständigen Verwaltungsgericht schriftlich beantragen und begründen.
2) Nach Absatz 4 kann bei Einreichen der Klage die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Das Verwaltungsgericht kann nach Absatz 5 die Vollziehung aussetzen oder - sofern sie bereits durchgeführt wurde - aufheben. 
3) Die Höhe einer etwaigen Geldbuße wird vom Verwaltungsgericht festgelegt.

Es ist also so, dass genau dieser Paragraph der Verwaltungsgerichtsordnung, mit dem Vollzugsmaßnahmen angedroht werden, auch die Rechte desjenigen beinhaltet, den diese betreffen.

Ein konkretes Fallbeispiel liegt mir noch nicht vor, ich kann daher nur vermuten, wie das Prozedere in diesem Fall ist. Ich selbst werde nach Einreichen des Widerspruchs bis zum Erhalt des negativen Widerspruchsbescheid durch die für mich zuständige Rundfunkanstalt NICHT zahlen. Und zwar mit der Begründung, dass damit für die Rundfunkanstalt der Handlungszwang entfällt, ich also monatelang vergeblich auf den Bescheid warten würde, der mir erst den Klageweg eröffnet.
Geht mir daraufhin ein Vollstreckungsbescheid zu, werde ich beim zuständigen Verwaltungsgericht unter Angabe der Vorgangsnummer dessen Aussetzung nach §80(4) beantragen, mit der Begründung, dass mir die Rundfunkanstalt bisher den negativen Widerspruchsbescheid vorenthalten hat, welcher mir selbst erst die Möglichkeit zur Klage gibt. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass das Verwaltungsgericht einer Vollstreckung statt gibt, BEVOR der negative Widerspruchsbescheid zugegangen ist.

Ich halte es für EXTREM unwahrscheinlich, dass das Verwaltungsgericht bei einer Vollstreckung eine Geldbuße in maximaler Höhe erhebt. Die Summe von €1000 ist die Obergrenze für Geldbußen bei Ordnungswidrigkeiten jeglicher Art, also auch Verkehrsvergehen, die keine Straftat sind. Dazu gehört z.B. überhöhte Geschwindigkeit, das Führen eines Fahrrads auf der Autobahn bei Nacht oder die Erregung öffentlichen Ärgernisses durch Randalieren. Daraus ist die Höhe von 1000 Euro zu erklären.

Eine Ordnungswidrigkeit ist eine geringfügige Verletzung der Rechtsregeln, keine Straftat. I d. F. scheint am wahrscheinlichsten, dass das zuständige Verwaltungsgericht eine geringfügige Ordnungswidrigkeit erkennt, wofür Bußgelder von bis zu €35 verhängt werden. Wer also auf die Schreiben des Beitragsservice überhaupt nicht reagiert hat, muss daher im Rahmen der Vollstreckung mit einem Verwarnungsgeld in dieser Höhe rechnen.

Da prinzipiell versucht wird, einen säumigen Zahler zur Einsicht zu bewegen, glaube ich nicht, dass man einen Klagewilligen, der durch Antrag auf Aussetzung der Vollziehung diese Absicht aktenkundig gemacht hat, in dieser Form belangt, und rechne daher lediglich mit einem Gebührenzuschlag von €5-€10. Gegen einen solchen Bußgeldbescheid kann binnen zwei Wochen wiederum Widerspruch eingelegt werden, mit der Begründung, dass sich die Vollstreckung auf ein anhängiges Verfahren bezieht, also nicht mit einer Zahlungssäumnis gleichzusetzen ist.


Weiteres dazu kann ich mitteilen, wenn mir ein Fallbeispiel vorliegt.

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