Mittwoch, 9. März 2016

www.rundfunkbeitragsklage.de - Vorsicht Spendenfalle!


Vor kurzem ist mir die bereits im letzten Jahr von der sog. Grundrechtepartei initiierte Aktionsseite http://rundfunkbeitragsklage.de/ bekannt geworden. Ich muss Interessierten leider sagen, dass von der Unterstützung dieser Aktion nach meinem juristischen Wissen abzuraten ist.

Der Eröffnungstext "Wir klagen gemeinsam gegen den verfassungswidrigen Rundfunkbeitrag! Bist Du auch dabei?" ist irreführend. Denn wie ich ausführlich im ersten Post dieses Blogs dargelegt und immer wieder erläutert habe: Sammelklagen sind in Deutschland nicht zulässig. 

In der Erläuterung wird "eine gemeinschaftliche Klage von Grundrechtsträgern" ... "entweder als Verbandsklage oder im Rahmen einer Streitgenossenschaft" angekündigt. Sie soll erhoben werden, wenn sich der 10000ste Mitsteiter per Email dazu bereit erklärt. Obwohl nun also noch gar keine Klage ergangen ist, bitten die Initiatoren um Spenden von €10 pro Person, um die Klage "vorzubereiten". In rot umrandetem Text mit der Überschrift "Warnung" heißt es: "Liebe Leser und Interessierte, gleich vorweg eine Warnung. Lassen Sie sich nicht allein auf einen Kampf mit der öffentlichen Gewalt ein, wenn Sie nicht absolut sattelfest im Verständnis des Grundgesetzes sind und dies beweisfest vor jedem Gericht vertreten können. Selbst das ist leider keine Garantie dafür, dass die öffentliche Gewalt die Ihnen vom Grundgesetz garantierten Grundrechte auch respektiert, achtet und schützt."

Ich muss aus medienrechtlicher Sicht hierzu eindeutig sagen, dass diese Aussagen falsch sind. Die Formulierung speziell am Ende des Texts legt dringend nahe, dass es sich bei dieser Seite um Bauernfängerei handelt. Wobei ich die Möglichkeit nicht ausschließen will, dass der Initiator nicht böswillig handelt, sondern aus Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage, aber der Internetauftritt wirkt extrem dubios.

Zunächst einmal unterliegt der Einzug bzw. die Rechtmäßigkeit von Rundfunkbeiträgen dem Verwaltungsrecht. Klagegründe gegen Verwaltungsakte unterliegen dem sog. subjektiv-öffentlichen Recht. § 42 Abs. 2 VwGO bestimmt - dies kann googeln, wer es nicht glauben mag - dass derjenige klagebefugt ist, der geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das ist im Falle des Rundfunkbeitrags jeder, der eine Wohnung oder Geschäfträume unterhält. Da man selbst in seinen Rechten betroffen sein muss, kann man also keine Klage im Namen von jemand anders einreichen. 

Infolgedessen kann gegen Rundfunkbeiträge keine Verbandsklage eingereicht werden, es sei denn es handelt sich um einen einer bestimmten Gruppe zuzuordnenden Sonderfall. Dies hat es beispielsweise bei der Klage eines Kleingärtnervereins gegen den RBB gegeben, die dazu führte, dass der RBB für diese Nutzergruppe die Beitragsbestimmungen von sich aus änderte. Hierbei ging es konkret um das Fehlen entsprechender Ausnahmebestimmungen im 15. RÄStV, nicht um die Frage der Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags an sich. 

Wenn es aber um das Einfordern von Grundrechten geht, muss und darf jede(r) Einzelne diese Rechte geltend machen, über den in diesem Blog und andernorts mehrfach beschriebenen Rechtsweg. Die Aufforderung zur Zahlung muss mit dem Hinweis darauf, dass man sie als nicht rechtmäßig erachtet, verweigert und die Rundfunkanstalt zur Zustellung eines widerspruchsfähigen Bescheids aufgefordert werden. Hierzu noch nebenbei gesagt: mir ist zu Ohren gekommen, der SWR hätte die Auskunft erteilt, man solle die Rundfunkbeiträge trotzdem zahlen, auch wenn man einen Widerspruchsbescheid einfordert. Hierzu ist ebenfalls klar zu sagen, dass es sich um Irreführung handelt. Denn wenn die Zahlungen erfolgen, entfällt für die Rundfunkanstalten die Grundlage für die Zustellung eines Beitragsbescheids. Erst wenn man diesem widersprochen hat - unter Hinweis auf die als verletzt erachteten Grundrechte - erhält man den negativen Widerspruchsbescheid mit Rechtsbelehrung, der die Möglichkeit eröffnet, vor dem für den Wohnort zuständigen Verwaltungsgericht Klage einzureichen. Die Behauptung, man könne oder dürfe dies nicht, weil sich die Behörden gegen das Individuum verschwören würden, ist ganz und gar aus der Luft gegriffen. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat. In einem Rechtsstaat steht der Klageweg jeder Bürgerin und jedem Bürger offen. Eine "Grundrechtepartei", die das in Abrede stellt, muss jedem auch nur halbwegs mit Jurisprudenz vertrauten Menschen suspekt erscheinen. 

Eine "Streitgenossenschaft" kann es in dieser Frage nur in passiver Form geben - wenn ein zuständiger Richter gemäß §147 ZPO darauf befindet, dass sich der Gegenstand mehrerer Klagen so sehr gleicht, dass eine gemeinsame Verhandlung zulässig ist. Dies gilt für die baldige Sitzung des Bundesverwaltungsgerichts am 16./ 17. März, in der über mehrere Revisionen von Rundfunkbeitragsklagen entschieden werden wird. Man braucht diesen Begriff nur unter Wikipedia einzusehen, um zu erkennen, dass die Darstellung auf der betreffenden Seite so nicht stimmt.

Am seltsamsten bei diesem ganzen Internetauftritt erscheint mir allerdings die Verbindung einer Klagevorbereitung mit Spendenaufrufen. Die betreffende Klage ist nicht eingereicht worden. Man soll also für ein Vorhaben zahlen, das noch gar nicht in die Tat umgesetzt worden ist.  Zur Begründung, warum es ausgerechnet 10000 Kläger sein sollen, bevor die Klage eingereicht wird, heißt es auf der Seite: "Wer einzeln klagt, wird nicht wahrgenommen. 10.000 Kläger sind also eine Mindestbeteiligung, um die Öffentlichkeit und vielleicht auch die Presse zu interessieren und so öffentlichen Druck zu erzeugen." Das stimmt nicht. Es hat in allen möglichen Zeitungen und Formaten Berichte über Rundfunkbeitragsklagen gegeben. Diese Behauptung ist gerade für einen Medienwissenschaftler wie mich im höchsten Maße ärgerlich. Sie spielt mit Ressentiments gegenüber dem "Establishment", gibt dem Leser aber auch zu verstehen, dass er sowieso nicht gegen "die da oben" ankommt. Das ist ein klassisches Indiz für ideologische Bauernfängerei, wie sie auch die AfD betreibt. 

Nun komme ich zum merkwürdigsten Teil des Internetauftritts. All meine Bedenken würden vom Betreiber mit dem Hinweis auf folgenden Absatz ausgeräumt werden:

"Wenn wir 10.000 Mitstreiter sind, dann wird diese Spende von jedem Mitstreiter erbeten zur Abdeckung der organisatorischen Kosten für das Projekt. Es ist davon auszugehen, dass die Klage nicht unter 2 Jahren dauert, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geht und eine nicht unbeträchtliche Organisation mit sich bringt, um 10.000 Kläger unter einen Hut zu bringen, sie regelmäßig zu informieren, und Öffentlichkeitsarbeit, Arbeitszeit etc. zu finanzieren sind. Deshalb sind wir mit dem Betrag von 10 Euro pro Mitstreiter an einem absoluten Limit. Wer jedoch schon vorher für die bisherigen Kosten einen Beitrag leisten möchte, kann dies natürlich gern machen. Die Kontodaten sind auf unserer Spendenseite zu finden."

Wer klagen will, braucht noch nicht zu spenden, kann dies aber gern tun. Auf diese Weise können Betrugsvorwürfe umgangen werden, wenn es mangels ausreichender Teilnehmerzahl nicht zu der angekündigten Klage kommt. Empfänger der Spenden ist die Grundrechtepartei selbst. Zahlungsgrund ist "Organisation der Rundfunkbeitragsklage" - das bedeutet, wer eine Zahlung geleistet hat, kann diese theoretisch zurückfordern, wenn die Klage nicht eingereicht wird. Es ist aber auch möglich, dass eine solche Aufforderung mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen wird, die "Organisation" - etwa die Verwaltung der Internetseite - hätte bereits Kosten verursacht. 

Unter "Spendenaufkommen" wird der Umfang der erzielten Spenden genannt, wobei die Betreiber offenbar im Februar einen enormen Schub erzielt haben. Als Endsumme werden 6258 Euro Ende Februar genannt. 

Hierzu ist ausdrücklich zu erwähnen, dass die tatsächlichen Rechtskosten deutlich niedriger sind. Meine eigene Klage wurde im Juni 2014 eingereicht. Tatsächlich entstandene Kosten bisher sind der Gerichtskostenvorschuss von €105,00. Voraussichtliche Anwaltskosten bis zum Abschluss der 2. Instanz sind €487,00. Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht sind gebührenfrei - es entstehen Anwaltskosten, aber keine Gerichtsgebühren. Klagen vor dem auf der Seite ebenfalls erwähnten Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind ebenfalls gebührenfrei und können von jedem EU-Bürger eingereicht werden, der den Rechtsweg im eigenen Land ausgeschöpft hat. Die meisten Kosten bei Verfassungsklagen entstehen durch die Erstellung von Rechtsgutachten. Diese sind aber - u.a. vom Verfassungsrechtler Christoph Degenhart oder Thomas Koblenzer  - längst erstellt worden. Ich weiß zwar nicht, ob bereits vorhandenen Gutachten dem Urheberrecht unterliegen. Sie können aber selbstverständlich in einem laufenden Verfahren zitiert werden, da sie Rechtsliteratur darstellen.

All dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Grundrechtepartei dieses Projekt zum Zweck der Generierung von Einnahmen ins Leben gerufen hat. Es kann sich um ein gut gemeintes Unterfangen handeln, wobei aber zumindest kritisiert werden muss, dass die Betreiber das finanzielle Risiko nicht selbst tragen wollen. So wie ich und mindestens 4000 andere Bürger und Bürgerinnen, die bereits auf eigene Kosten Klage eingereicht haben. Ich möchte nicht bestreiten, dass die "Grundrechtepartei" eventuell tatsächliche politische Vorhaben und sinnvolle Intiativen betreibt. Um sich darüber eine eigene Meinung zu bilden, empfehle ich, ihr Programm und die Mitglieder ihres Vorstands zu googeln. 

Ich weise explizit unter Verweis auf §188 StGB hin, dass in diesem Beitrag auf die Nennung von Namen verzichtet wird. Die Verbreitung dieses Beitrags unter Hinzufügung von namentlich genannten Personen ist vom Verfasser ausdrücklich nicht gestattet.