Am vergangenen Wochenende ging mir ein Brief der in
'Beitragsservice' umbenannten 'Gebühreneinzugszentrale' (GEZ) zu, in dem ich
dazu aufgefordert werde, Auskünfte über ein für meine Wohnung bestehendes 'Beitragskonto'
zu machen. Bereits der erste Satz dieses Schreibens drückt eine Feststellung
aus, die nicht für mich zutrifft:
"ARD, ZDF und Deutschlandradio bieten Ihnen
täglich ein hochwertiges, unabhängiges und vielfältiges Programm rund um
Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport."
Das ist für mich aus folgenden Gründen nicht richtig:
1) besitze ich kein Rundfunkgerät, müsste mir also erst ein solches beschaffen,
um dieses Angebot zu nutzen; 2) gibt es in meinem Wohnbereich keinen
terrestrischen Empfang, ich müsste mir also entweder eine digitale
Dekodierungsantenne zusätzlich besorgen oder einen Versorgungsvertrag mit einem
Dienstleister wie KabelDeutschland abschließen; 3) ist mein Einkommen niedrig,
weshalb mir solche Anschaffungen zu kostspielig sind, um 4) ein
Rundfunkprogramm zu konsumieren, das mich nicht im geringsten interessiert;
denn es ist 5) unter keinen Umständen als eindeutig 'hochwertig,
unabhängig und vielfältig' zu bezeichnen. Vielmehr bedeutet mir die - bisweilen
unvermeidliche - Begegnung mit Rundfunksendungen eine psychische und
intellektuelle Tortur, weil darin Informationen im Vergleich zu
Fachzeitschriften und Büchern falsch, sachfremd oder unzureichend wiedergegeben
werden, und weil Kultur meiner Meinung nach in der Öffentlichkeit unter
Anwesenheit eines echten Publikums stattfindet.
Wenn laut
offiziellen Schätzungen bis zu eine Million Bürger der Bundesrepublik
Deutschland bisher keine
Rundfunkgebühren bezahlt haben und keine Rundfunkgeräte nutzen, stehe ich mit
dieser Einstellung sicher nicht allein da. Dieser Blog soll sich an alle
gleichfalls Betroffenen richten, die in Erwägung ziehen, sich gegen den am
1.1.2013 in Kraft getretenen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zu wehren. Sie
versucht auch, die bis zu sechs Millionen Bürger zu erreichen, die bisher die
ermäßigte Gebühr für sogenannte 'neue Rundfunkgeräte' (also internetfähige
Mobiltelefone und Computer) bezahlt haben und die automatische Erhöhung auf den
vollen Betrag nicht widerspruchsfrei hinnehmen wollen.
Zu diesem Zweck habe ich die wahrscheinlichsten Fragen
zu diesem Thema zusammengestellt und eine möglichst umfassende Antwort darauf
recherchiert. Sie können beim Gebrauch dieses Blogs also jene Fragen
überspringen, auf die Sie keine Antwort benötigen. Die Informationen auf dieser
Seite sind allgemein und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Sie sind
ferner allgemeiner Natur, geben die persönliche Einschätzung des Verfassers wieder und stellen keine Rechtsberatung war. Eine allgemein gültige Beurteilung sind sie nicht. Für eine
individuelle Beratung empfiehlt sich die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes.
Frage 1: Was ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag?
Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag hat zum 1.1.2013 die zuvor
durch Anmeldung von Fernsehern, Radios und internetfähigen PCs erhobenen
Rundfunkgebühren durch eine haushaltsbezogene Abgabe von monatlich €17,98
ersetzt, die unabhängig von der Bereithaltung rundfunkfähiger Geräte und von
der tatsächlichen Nutzung erhoben wird.
Den Gesetzestext finden Sie unter anderem hier:
http://www.swr.de/unternehmen/wie-wir-uns-finanzieren/-
/id=8066446/property=download/nid=7687256/e29ne0/index.pdf; der Kommentar des
SWR gibt einen guten Überblick über das Selbstbild der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten.
Frage 2: Was sind die problematischen Inhalte des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags?
Die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
1) das Kündigungsrecht entfällt;
2) Befreiungsmöglichkeiten für körperlich versehrte oder
einkommensschwache Menschen werden reduziert;
3) die Zahlungsverpflichtung geht nicht mit einem
daraus ableitbaren Anspruch auf Vertretung in Aufsicht und Inhalten der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einher;
4) die Rundfunkanstalten können ihren
Finanzierungsbedarf - und damit Beitragserhöhungen - selbst bestimmen, ohne
dass Beitragszahler ein Mitspracherecht haben;
5) auch wenn man Rundfunk insgesamt für unerträglich
oder überflüssig hält und daher nicht nutzt, muss man den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitfinanzieren;
6) dem Bürger wird sein (durch Artikel 5 Grundgesetz)
garantiertes Recht auf Meinungsfreiheit entzogen, indem (unter Berufung auf
eben diesen Artikel) die institutionelle Unversehrtheit des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks als wichtiger erklärt wird als das kulturelle
Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen - was auf die zukünftige Gesetzgebung
immense Auswirkungen zu Lasten des Individuums haben kann.
Frage 3: Kann man von der Zahlung befreit werden?
Eine Liste der Bedingungen für die Befreiung von
Beitragszahlungen finden Sie hier:
http://www.rundfunkbeitrag.de/buergerinnen-und-buerger/ermaessigung_und_befreiung.shtml.
Anträge müssen bei der in 'Beitragsservice' umbenannte
Gebühreneinzugszentrale (GEZ) eingereicht werden - da diese Umbenennung
orwellianischen[1]
Charakter hat, verwende ich sie äußerst ungern. Die GEZ behält sich das Recht
vor, die Berechtigung anzuzweifeln, was unter anderem dazu führt, dass nur
circa die Hälfte der Bezieher von Hartz IV beitragsbefreit sind, obwohl es von
Rechts wegen eigentlich alle sein sollten. In einem solchen Fall empfiehlt sich
die Beauftragung eines spezialisierten Rechtsanwaltes. Empfänger von
Transferzahlungen oder Personen mit geringem Einkommen können hierfür
Prozesskostenhilfe beim zuständigen Amtsgericht beantragen.
Frage 4: Mache ich mich strafbar, wenn ich den
Rundfunkbeitrag nicht zahle?
Bei einer Zahlungsverweigerung über sechs Monate nach
Beginn des die Zahlung anordnenden Gesetzes hinaus liegt eine Ordnungswidrigkeit
vor, keine Straftat. Es ist also generell möglich, die betreffende Zahlung um
sechs Monate verzögert zu leisten. Eine Ordnungswidrigkeit kann, muss aber
nicht mit Bußgeld - in diesem Falle Mahngebühren - belegt werden. Je mehr
angeschriebene Bürger also die Zahlung verweigern, desto wahrscheinlicher ist
es, dass der 'Beitragsservice' diese Zahlungen nicht per Gerichtsverfahren
einzutreiben versucht, sondern versucht, die Betreffenden mit Mahnschreiben
'kleinzukriegen' - dies wird im nachstehend erläuterten Rechtsweg näher
erklärt.
Frage 5: Kann man
gegen den Rundfunkbeitragsstaatsvetrag klagen?
Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes gibt dem
Bürger das Recht, gegen eine Verletzung seiner Grundrechte den Rechtsweg zu
beschreiten.
Denkbar ist eine Verfassungsbeschwerde gegen das
Gesetz oder eine Klage gegen einen anderen Akt der öffentlichen Gewalt. Eine
Verfassungsbeschwerde - also das direkte Einreichen einer Klage vor dem
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe - ist wegen Ablauf der Jahresfrist seit
Verkündigung des Gesetzes nicht mehr möglich. Einige solcher
Gesetzesverfassungsbeschwerden sind gegen das neue Gebührenrecht auch
rechtzeitig eingereicht, aber noch nicht entschieden worden.
Deshalb ist eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht
in Karlsruhe oder beim Landesverfassungsgericht jetzt nur noch möglich, wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist, d.h. wenn man
zunächst alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich vor den zuständigen
Fachgerichten zu wehren. Das sind in diesem Falle die Verwaltungsgerichte. Dort
kann man klagen, wenn man nicht nur eine schlichte Zahlungsaufforderung durch den
'Beitragsservice' (zuvor GEZ), sondern einen Zahlungsbescheid der Landesrundfunkanstalt erhalten. hat. Dies
ist ein sog. Verwaltungsakt, er ist gewöhnlich mit einer Rechtsbehelfsbelehrung
verbunden, die einem erläutert, was man gegen den Bescheid tun kann: Binnen
welcher Frist man wo Widerspruch der Klage einzureichen hat, wenn man nicht
will, daß der Zahlungsbescheid rechtlich verbindlich
("bestandskräftig") wird.
Frage 6: Kann man den 'Beitragsservice' (zuvor GEZ)
verklagen?
Nein. Der sogenannte 'Beitragsservice' ist keine
Behörde und keine rechtsfähige Person, sondern eine Verwaltungsgemeinschaft im
Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Deshalb kann der
'Beitragsservice' auch nicht dazu veranlasst werden, Auskunft über die von ihr
verwalteten Daten zur eigenen Person zu erteilen. Dies ist nur über einen
Antrag bei der für einen zuständigen Rundfunkanstalt möglich. Aus diesem Grund
ist diese Vergewisserung im mir vorliegenden Brief mit großer Vorsicht zu
genießen: 'Selbstverständlich werden die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen
eingehalten.' Es wird das Wort 'einhalten' benutzt, anstelle die persönlichen Datenschutzrechte
zu garantieren.
Dies wiederum ist ein wichtiger Kritikpunkt am
Rundfunkbeitragsgesetz, da der 'Beitragsservice' mit seinem Inkrafttreten zur
Erfassung personenbezogener, insbesondere sozialer Daten in einem erheblich
weiteren Umfang ermächtigt worden ist[2]. Das Bundesverfassungsgericht hat am 2. März 2010
entschieden, dass gesetzlich geregelte Vorratsdatenspeicherung gegen Artikel 10
Absatz 1 des Grundgesetzes verstößt[3]. In der Folge stellt die nur indirekte
Auskunftspflicht des 'Beitragsservice' und das Sammeln sozialer Daten aller
Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland einen Bruch der Verfassung dar.
Frage 7: Wie und gegen wen kann man Klage erheben?
Informationen zum Ablauf durch einen Anwalt finden Sie
hier: http://www.tschuschke.eu/gez/
Es gibt zwei grundsätzlich mögliche Rechtswege: Die
Feststellungsklage (um zu klären, ob ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht),
und die Anfechtungsklage (gegen den Beitragsbescheid). Informationen dazu
finden sich unter: http://natuerlich-klag-ich.de/klageweg.html.
Da ich davon ausgehe, dass eine Feststellungsklage
unter Hinweis auf die allgemeine Gültigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags
abgewiesen werden würde, gehe ich im folgenden auf den Ablauf einer
Anfechtungsklage ein.
Wer Rechtsmittel einlegen möchte, muss einen rechtsmittelfähigen
Beitragsbescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung abwarten. Da der 'Beitragsservice'
formell keine Behörde ist, kann diese nur „formlos“ zur Zahlung des
Rundfunkbeitrags auffordern. Dagegen kann man gerichtlich nicht vorgehen. Es
wird demnach notwendig sein, gegenüber dem 'Beitragsservice' - unter Berufung
auf Verletzung der Grundrechte - zunächst die Zahlung zu verweigern und darum
zu bitten, einen formellen Bescheid der Landesrundfunkanstalt zu erhalten.
Gegen diesen kann man einen Widerspruch einlegen und erhält anschließend einen negativen
Widerspruchsbescheid. Gegen diesen kann man nun vor dem Verwaltungsgericht
klagen.
Zu beachten ist, dass in Bayern, Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen das Widerspruchsverfahren teilweise abgeschafft wurde. Hier
müsste direkt gegen den Bescheid der Landesrundfunkanstalt geklagt werden. Dies
ist jedoch gut zu erkennen, da jeder Bescheid - wie schon erwähnt - eine
Rechtsmittelbelehrung enthalten muss.
Erfahrungen von denjenigen, die schon gegen die
'PC-Rundfunkgebühr' den Klageweg beschritten haben, lassen folgenden Ablauf am
wahrscheinlichsten wirken:
1) Sie fordern den 'Beitragsservice' nach Erhalt eines
Schreibens wie dem von mir geschilderten dazu auf, Ihnen einen formellen
'Beitragsbescheid' der für Sie zuständigen Landesrundfunkanstalt zukommen zu
lassen.
2) Der 'Beitragsservice' ignoriert diese Bitte und
sendet Ihnen stattdessen eine Zahlungsaufforderung.
3) Auf nochmaliges Nachfragen erhalten Sie lediglich
eine Zahlungsaufforderung mit Mahnung - mit der Begründung, dass dies der bei
Zahlungsverweigerung 'übliche Ablauf' sei.
4) Erst nach nochmaliger Mahnung erhalten Sie bei
konsequenter Zahlungsverweigerung den erwünschten Beitragsbescheid.
5) Gegen diesen legen Sie Widerspruch ein, welcher mit einem negativen Widerspruchsbescheid abgelehnt wird. Mit diesem können Sie beim Verwaltungsgericht Klage einreichen.
5) Gegen diesen legen Sie Widerspruch ein, welcher mit einem negativen Widerspruchsbescheid abgelehnt wird. Mit diesem können Sie beim Verwaltungsgericht Klage einreichen.
Sobald Sie Klage eingereicht haben, sind Sie von der
Zahlung der Beiträge mit Datum der Annahme der Klage befreit. Für die bis dahin
aufgelaufene Summe werden Sie aber trotzdem haftbar gemacht. Nach § 80
Verwaltungsgerichtsordnung kann Antrag auf aufschiebende Wirkung
gestellt werden, es ist aber fraglich, ob dies bei einer Abgabe zu erreichen
ist.
Frage 8: Worauf kann ich meine Klage begründen?
Durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag werden mehrere
Grundrechte verletzt.
Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes schützt die
allgemeine Handlungsfreiheit. Durch eine „Zwangsabgabe“ ist diese betroffen.
Ein Eingriff muss dem sogenannten Übermaßverbot genügen, also
verhältnismäßig sein[4]. Das
Bundesverfassungsgericht hat in seinen Rundfunkurteilen die Verpflichtung des
Gesetzgebers betont, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen Rahmen
zur Sicherung ihres Finanzierungsaufwands zu gewähren[5]. Dadurch soll die
Erfüllung des sogenannten Grundversorgungsauftrags gewährleistet werden. Damit
ist jedoch nicht das gesamte Programmangebot des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks gemeint, so wie es der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorsieht. Es ist
demzufolge unverhältnismäßig, auch Nichtrundfunknutzer in vollem Umfang zur
Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks heranzuziehen.
Weiterhin kann ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz
aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes gerügt werden. Wesentlich Gleiches
darf nicht ungleich und wesentlich Ungleiches darf nicht gleich behandelt
werden[6].
Es besteht nun ein eklatanter Unterschied zwischen Personen, die keinerlei
Empfangsgerät besitzen bzw. denen, die lediglich einen Smartphone oder einen
internetfähigen Computer betreiben und denen, welche die gesamte Bandbreite des
Rundfunks nutzen. Diese Unterschiede sind im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag an
keiner Stelle berücksichtigt worden.
Des Weiteren kann ein Verstoß gegen das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung bestehen[7]. Dieses ergibt sich
aus Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1
Grundgesetz. Es ergibt sich ferner aus Artikel 8 Absatz 1 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK). Diesen Bestimmungen widerspricht die
Sammlung besonders geschützter
Sozialdaten durch den 'Beitragsservice', einer nicht rechtsfähigen,
datenschutzrechtlich nicht beaufsichtigten Institution.
Ein weiterer Punkt besteht in der Verletzung des ersten
Artikels des Grundgesetzes, nämlich des Artikel 1 Absatz 1: "Die Würde des
Menschen ist unantastbar". Menschenwürde im legalen Sinne bedeutet den Anspruch
auf soziale Anerkennung[8].
Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geht an keiner Stelle darauf ein, dass es
Menschen gibt, die Rundfunk nicht nutzen wollen. Vielmehr wird von einem
unmittelbaren oder mittelbaren Nutzen ausgegangen, der für alle Bundesbürger
gleichermaßen gelten soll. Dabei ist die Frage, ob Rundfunksendungen und
speziell Fernsehen wirklich Bildungscharakter haben, eines der wichtigsten
Themen der Medienkritik und Medientheorie[9]. Die Eventualität
einer darauf begründeten Nichtrundfunknutzung wird vom Rundfunkbeitragsstaatsvertrag
im wortwörtlichen Sinne desavouiert, was einer Verletzung der
Menschenwürde gleichkommt.
Da die Rundfunkordnung verfassungsgemäß Ländersache
ist, also keiner bundesweiten Gesetzgebung unterliegen darf, geht die von
Ermano Geuer in Bayern eingereichte Popularklage vom Rundfunkbeitrag als einer Zwecksteuer
aus, für welche die Bundesländer keine gesetzgebende Kompetenz besitzen; mehr
dazu unter: http://www.juwiss.de/der-neue-rundfunkbeitrag-mit-problemen-behafte/
Frage 9: Gibt es die Möglichkeit einer Sammelklage
oder eines Volksbegehrens?
Sammelklagen kennt unsere Rechtsordnung nicht. Ein
Volksbegehren in Form einer Unterschriftensammlung hat es im Vorfeld des
Gesetzes bereits gegeben[10] und hatte keinerlei
Auswirkung auf seine Verabschiedung.
Onlinepetitionen zur Abschaffung des 'Beitragsservice'
(GEZ) gibt es allerdings:
https://www.openpetition.de/petition/online/abschaffung-der-gez-keine-zwangsfinanzierung-von-medienkonzernen
ist abgeschlossen und hatte 136.013 Unterstützer. Diese sollte an den
Petitionsausschuss des Bundestags gerichtet werden. Da aber Rundfunk
Ländersache ist, wird sie an das Bundesland des Erstellers (in diesem Fall
Bayern) weitergeleitet. Das bedeutet, dass Unterschriftensammlungen gegen den
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nur im jeweiligen Bundesland möglich sind und
nicht bundesweit.
https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-ein-demokratischeres-rundfunksystem
richtet sich speziell an den Sächsischen Landtag und läuft weiterhin mit einer
Zeichnungsfrist bis 9. Juli 2013.
Sie können Ihren Protest auch an die medienpolitischen
Sprecher der Parteien richten, die den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag formuliert
und beschlossen haben. Eine Liste dieser Personen finden Sie unter http://medienpolitik.eu/cms/index.php?idcatside=228.
Achten Sie darauf, dass nur die medienpolitischen Sprecher der Landtage
sinnvolle Adressaten für Protestschreiben sind.
Ein Verfahren der Volksgesetzgebung nach Landesrecht,
wie z.B. nach Artikel 71 bis 73 der Sächsischen Verfassung wäre möglich, also
mit Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid. Aber das ist langwierig und
mühsam. Es ist auch fraglich, ob nicht die Mehrheit der Bevölkerung, die einen
Fernseher hat, der Neuregelung nicht gleichgültig gegenübersteht.
Aber: Je mehr Leute sich vor den Verwaltungsgerichten
gegen die Neuregelung wehren, desto größer ist die Aussicht, daß die
Rechtsprechung den verfassungsrechtlichen Einwänden gegen die Neuregelung folgen wird. Denn die Verfassungsgerichte
entscheiden nicht gänzlich unabhängig von der Volksmeinung. Noch wichtiger ist
diese für die Parlamentarier und Gemeindeabgeordneten, die ja in ihrem Amt
bestätigt werden wollen.
Frage 10: Wieviel wird die Klage kosten?
Bis zum Widerspruchsverfahren kostet es nichts. Wer
vor dem Verwaltungsgericht ohne Rechtsanwalt klagt, muss nur die entsprechende
Gerichtsgebühr bezahlen. Dort besteht nämlich keine Anwaltspflicht. Es ist zwar
definitiv anzuraten, sich bei der Formulierung der Klagebegründung durch einen
Anwalt beraten zu lassen, aber bei der Verhandlung selbst muss ein Anwalt nicht
anwesend sein. Es ist auch möglich, ein schriftliches Verfahren zu beantragen,
um somit Anreise- und Anwaltskosten der Gegenseite zu reduzieren.
Der Streitwert des Verfahrens wird vermutlich der
Jahresbeitrag sein, also €215,76; per Prozesskostenrechner im Internet komme
ich dann auf einen Betrag von €167,50. Sie können sich auch im Vorfeld von
einem Rechtsanwalt über die Höhe der Kosten informieren lassen. Sollten Sie
ohne Anwalt vor dem Verwaltungsgericht auftreten wollen, ist auch eine Beratung
mit einer Honorarvereinbarung möglich.
Eventuell kommen Sie für eine Prozesskostenbeihilfe in
Betracht - wenn Sie Empfänger von Sozialleistungen sind oder über ein niedriges
Einkommen verfügen, in jedem Fall (was wohl der Grund dafür ist, dass
Sozialempfänger von der Gebührenpflicht ausgenommen sind). Aber auch als
Rentner oder Student ohne BAFÖG kann man eine solche beim zuständigen
Amtsgericht beantragen. Über Einzelheiten können Sie sich direkt beim
Amtsgericht informieren, in dessen Zuständigkeitsbezirk Sie wohnen.
Wer bereits über eine Rechtsschutzversicherung mit
Einschluss des Verwaltungsrechts verfügt, sollte über eine Deckungsanfrage mit
dieser klären, inwiefern Rechtsmittel gegen den Rundfunkbeitrag über die
Versicherung abgewickelt werden können.
Frage 11: Kann der 'Beitragsservice' Nachgebühren
geltend machen?
So weit mir bekannt ist, nein, denn eine Klage vor dem
Verwaltungsgericht hat in der Regel aufschiebende Wirkung. Denkbar ist, dass
Sie mit negativem Entscheid der Klage vor dem Verwaltungsgericht zur
Nachzahlung der ausstehenden Beiträge verpflichtet werden, wofür dann aber
keine Nachgebühren erhoben werden können. Die aufschiebende Wirkung könnte sich
auch auf die Berufung vor dem Oberwaltungsgericht bei Abweisung der Klage
erstrecken, wenn das Verwaltungsgericht auf ein allgemeines Interesse an der
rechtlichen Klärung des Sachverhalts erkennt, da Sie sich auf eine
Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags berufen würden. Das
gilt insbesondere umso mehr Klagen eingereicht werden.
Frage 12: Wie sind die Erfolgsaussichten einer Klage?
Von der bisherigen medienpolitischen Rechtssprechung
her gesehen sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Klage gegen den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag
eher gering. Das Verwaltungsgericht würde die Klage vermutlich abweisen, worauf
Sie vor dem Oberwaltungsgericht Ihres Bundeslandes in Berufung gehen können. Dieses
muss Ihre Klage, wenn es Ihnen im Ergebnis zustimmt und die Neuregelung für
verfassungswidrig hält, dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen.
Entscheidet das Oberverwaltungsgericht gegen Sie, bleibt der Weg zum
Bundesverwaltungsgericht. Wenn Sie keine Berufungszulassung bekommen oder nicht
zum Bundesverfassungsgericht zugelassen werden oder wenn Ihre Klage vor dem
Oberverwaltungsgericht oder dem Bundesverwaltungsgericht abgewiesen wird, haben
Sie den Rechtsweg erschöpft und damit die Voraussetzung für eine
Verfassungsbeschwerde erfüllt.
Wie das Bundesverfassungsgericht urteilen würde, ist
völlig offen: einerseits hat es in der Vergangenheit stets im Sinne der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geurteilt, andererseits wird es einen
breiten Protest gegen das Rundfunkbeitragsgesetz auch nicht einfach ignorieren
können.
Frage 13: Wenn die Aussicht auf Erfolg gering ist,
warum soll ich dann überhaupt klagen?
Das Verfahren wird sich über einen sehr langen Zeitraum
erstrecken. Allein schon der Widerspruch gegen den Beitragsbescheid mit
anschließender Zahlungsaufforderung dürfte ein halbes Jahr Bearbeitungszeit in
Anspruch nehmen. Ich rechne nicht damit, vor Ende des Jahres Klage vor dem
Verwaltungsgericht einzureichen, und es wird wiederum Monate dauern, bis die
Klage angenommen und terminiert sein wird. Solange das Verfahren läuft,
enthalte ich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk rechtmäßig Beitragszahlungen.
Berufungsverfahren vor Oberverwaltungsgerichten dauern
sogar noch länger; die Bundesrepublik ist von Seiten des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg schon mehrfach für die hierzulande
übliche Verfahrensdauer (zwei bis fünf Jahre) gerügt worden. Bis zu einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann es durchaus 2016 werden. Wenn
möglichst viele Klagen eingereicht werden, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk
in dieser ganzen Zeit diese Gebühren / Beiträge entzogen bleiben und die
deutsche Justiz mit der gesellschaftlich Relevanz dieses Themas deutlich
konfrontiert wird, ist eine öffentliche Aufmerksamkeit für dieses Thema
garantiert, und unter Umständen soviel ökonomischer Druck auf dieses System entstanden,
dass seine Entscheidungsträger dazu bereit sind, den
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nachzuverhandeln.
Im übrigen wird eine widerspruchslose Hinnahme des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages durch die Bevölkerung mit hoher Wahrscheinlichkeit Konsequenzen für die künftige Gesetzgebung haben. Denn über die Deklarierung von Gebühren als Beiträge lassen sich unpopuläre Steuervorhaben umsetzen. Mit den gleichen Argumenten, die als Begründung für den Rundfunkbeitrag verwendet werden, könnten etwa 'Straßeninstandsetzungsbeiträge' oder 'Krankenhausbeiträge' erhoben werden. Die Steuerlast könnte somit erhöht werden, ohne dass sich der Gesetzgeber einer Diskussion darüber stellt.
Im übrigen wird eine widerspruchslose Hinnahme des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages durch die Bevölkerung mit hoher Wahrscheinlichkeit Konsequenzen für die künftige Gesetzgebung haben. Denn über die Deklarierung von Gebühren als Beiträge lassen sich unpopuläre Steuervorhaben umsetzen. Mit den gleichen Argumenten, die als Begründung für den Rundfunkbeitrag verwendet werden, könnten etwa 'Straßeninstandsetzungsbeiträge' oder 'Krankenhausbeiträge' erhoben werden. Die Steuerlast könnte somit erhöht werden, ohne dass sich der Gesetzgeber einer Diskussion darüber stellt.
Frage 14: Ist alles vorbei, wenn das
Bundesverfassungsgericht das Rundfunkbeitragsgesetz bestätigt?
Nein. Als letzte Möglichkeit steht Ihnen, wenn Sie
alle Rechtsmittel in der Bundesrepublik erschöpft haben, eine Beschwerde beim
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte offen, dessen Anhörung kostenfrei
ist. Die Europäische Menschenrechtserklärung (EMRK), die in Deutschland den
Rang eines einfachen Gesetzes hat, gestaltet die Freiheitsrechte großzügiger
als das Grundgesetz und es wäre allein schon wegen der voraussichtlichen
Verfahrensdauer damit zu rechnen, dass Ihre Beschwerde berücksichtigt wird.
Aber bis dahin werden wohl vier, fünf Jahre vergangen sein, in denen sich viel
ändern kann, und aufschiebende Wirkung hat eine solche Beschwerde nicht.
Insbesondere die aggressive Datensammlung gegen den
Willen des Betroffenen durch die GEZ kann hier ein Angriffspunkt sein. Derartige
Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht des Menschen werden von anderen
EU-Mitgliedsstaaten wesentlich skeptischer gesehen, weshalb die Chancen vor dem
international besetzten Gerichtshof nicht schlecht sein dürften.
15) Ich zahle Rundfunkbeiträge, und sehe nicht ein,
warum dies nicht alle tun sollten.
Bitte stellen Sie sich folgende Fragen:
- Finden Sie es sozial gerecht, dass ein Haushalt mit
zwei berufstätigen Erwachsenen, die 2011 zusammen durchschnittlich €3814 im
Monat verdient haben[11], für die Nutzung von
zwei Fernsehern, zwei PCs und zwei Smartphones denselben Rundfunkbeitrag entrichtet
wie eine alleinstehende Rentnerin, die 2011 eine durchschnittliche Bruttorente
von €492 bezogen hat[12] und nur einen Fernseher
besitzt?
- Das Durchschnittsalter der Zuschauer des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks beträgt 60 Jahre[13].
Fühlen Sie sich von den Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
angesprochen, und genügen die Themenauswahl und -umsetzung Ihren Ansprüchen?
- ARD/ZDF bilden zusammengenommen den größten
öffentlich-rechtlichen Rundfunkkomplex der Welt und beschäftigen mehr
Auslandskorrespondenten als jede andere Rundfunkanstalt. Halten Sie diesen
Aufwand für nötig, damit dem Grundversorgungsauftrag des Rundfunkstaatsvertrags
Genüge getan wird?
- Das Rundfunkbeitragsgesetz ist nicht von
kostenmindernden Reformen begleitet worden. Den öffentlich- rechtlichen
Rundfunkanstalten bleibt es überlassen, ihren Finanzierungsbedarf weitgehend
selbstständig festzulegen. Ist es für Sie als Zuschauer in Ordnung, nicht
darüber informiert zu werden, wie diese Berechnungen zustande kommen und
wieviel Geld für welche Inhalte ausgegeben wird?
- Finden Sie die Arbeit der Intendantin des WDR so
wichtig, dass sie dafür deutlich mehr Gehalt kassiert als die Bundeskanzlerin
(€352000 bzw. €258000 (inklusive Zuschläge) in 2010)[14]?
- Halten Sie Gehälter für Intendanten der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die sich bis auf das Elffache des
durchschnittlichen Jahresgehalts in der Bundesrepublik Deutschland (€28000 in
2011) belaufen, für gerechtfertigt?
- Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sieht die volle
Finanzierung des gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch
Beitragszahlungen und die Abschaffung von Werbeeinnahmen vor. Ist es Ihnen
lieber, mehr für einen werbefreien Rundfunk zu bezahlen, oder weniger für einen
mischfinanzierten Rundfunk?
- In den Verwaltungsräten der Rundfunkanstalten sind
mehr als die Hälfte der Mitglieder politischen Gruppierungen zuzuordnen (50 von
77 im Falle des ZDF). Finden Sie es in Ordnung, dass es keinen Vertreter der
Beitragszahler gibt? Wenn Sie die Liste der vertretenen Organisationen
konsultieren, fühlen Sie sich dann von einer oder mehrerer davon ausreichend
repräsentiert?
- Die Umgestaltung der Rundfunkgebühr zum
Rundfunkbeitrag entzieht dem Staatsbürger das Kündigungsrecht. Macht es Ihnen
nichts aus, nicht selbst darüber entscheiden zu können, ob Sie das Angebot des
öffentlich- rechtlichen Rundfunks nutzen und finanzieren wollen oder nicht?
- Die in 'Beitragsservice' umbenannte GEZ ist keine
rechtsfähige Institution, nimmt für sich aber mehr Auskunftsrechte in Anspruch
als jede deutsche Behörde. Machen Sie sich keine Sorgen, wie die GEZ mit Ihren
persönlichen Daten umgeht, wenn sie nicht - wie eine Behörde - auf Unterlassung
der Weitergabe von Daten verklagt werden kann und es keine Instanz gibt, die
dies kontrolliert ?
- in den letzten Jahren sind vermehrt
Korruptionsskandale bekannt geworden, insbesondere beim MDR[15].
Finden Sie es als Beitragszahler ausreichend, dass die Beschuldigten in diesen
Fällen zu Strafgeldern und sogar Haftstrafen verurteilt worden sind, nicht aber
zu Entschädigungszahlungen in Höhe der veruntreuten Gebühren?
Das Unternehmen Rossmann hat Verfassungsbeschwerde
gegen die finanzielle Mehrbelastung durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag erhoben,
welche das fünffache der bisherigen Gebühren beträgt[16].
Machen Sie sich keine Sorgen, dass im Falle der Bestätigung der
Unverhältnismäßigkeit dieser Belastung andere Unternehmen ebenfalls erfolgreich
dagegen klagen, und die daraus resultierenden Fehlbeträge durch
Beitragserhöhungen für Privathaushalte finanziert werden?
- Die Umgestaltung von geräteabhängigen Gebühren in
nutzungsunabhängige Beiträge ist ein Paradigmenwechsel. Halten Sie es für
ausgeschlossen, dass dieses Modell auf andere umstrittene Finanzierungsprojekte
Anwendung findet, beispielsweise die seit vielen Jahren diskutierte Einführung
einer Autobahn- oder Citymaut?
Frage 16: Wie könnte ein besserer Rundfunkbeitragsstaatsvertrag
aussehen?
a) Abschaffung des irreführenden Grundsatzes 'ein
Haushalt, ein Beitrag'. Zum einen ist dieser Umstand durch eine Fülle von
Zusatzregelungen nicht gegeben, zum anderen war die vorige Regelung, nach der
die Bereithaltung eines Gerätes zur Anmeldung verpflichtete und somit die Höhe
der Gebühren bestimmte, sozial gerechter. Die Lösung für dieses Dilemma wäre
ein geringfügiger Rundfunkaufschlag auf in Deutschland verkaufte rundfunkfähige
Geräte, beispielsweise über die Mehrwertsteuer oder die Umleitung der durch sie
eingenommenen Mittel.
b) Die Vorstellung, der öffentlich-rechtliche Rundfunk
müsse komplett gebührenfinanziert sein, ist völlig anachronistisch. Es wird
kaum jemand ernsthaft behaupten wollen, dass Werbeunterbrechungen in
Sportsendungen gegen den Grundversorgungsauftrag verstoßen, und wie bei jedem
Großunternehmen ist der wirtschaftliche Erfolg der Rundfunkanstalten davon
abhängig, dass sie ihre Erwerbsmöglichkeiten so gut wie möglich diversifizieren.
c) Da der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag in seiner
bestehenden Form eine Art Freischein für Beitragserhöhungen ist, wodurch es de
facto unmöglich wird, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu kostenmindernden
Reformen zu veranlassen, wäre es in einer Nachbesserung dringend geboten, dem
Beitragszahler Repräsentations- und Gestaltungsrechte zu geben; ein
aktiennotiertes Unternehmen muss seinen Anteilseignern Argumente dafür geben,
dass sie sich an ihm beteiligen, und es ist absolut nicht einzusehen, warum
Rundfunkanstalten diesem Anspruch der sie finanzierenden Beitragszahler
entzogen bleiben sollten.
d) Wenigstens ein Verfassungsrechtler (Christian
Waldhoff) sieht keinen Verstoß gegen das Grundgesetz, wenn statt des
Rundfunkbeitrags eine steuerliche Medienabgabe erhoben würde[17],
die über die Einkommensteuer erhoben werden könnte. Auf diese Weise ließen sich
zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: der nicht rechtsfähige 'Beitragsservice'
(zuvor GEZ) könnte abgeschafft werden, und einkommensschwache Bürger könnten
die Medienabgabe erstattet bekommen bzw. bei Vorlage eines negativen
Steuerbescheids davon befreit werden, wodurch soziale Gerechtigkeit hergestellt
wäre.
e) Es muss möglich sein, über Abstimmungen ein
Mitspracherecht des Beitragszahlers über das Programm einzuführen, und so zum
Beispiel Moderatoren aufgrund der von der Mehrheit als übertrieben empfundenen
Gehälter 'abzuwählen'; außerdem ist es ein Unding sondergleichen, dass die
Öffentlichkeit über die Bezüge von Jörg Pilawa, Markus Lanz und Günter Jauch im
Unklaren gelassen wird, wenn sie es ist, die die exorbitanten Gehälter dieser
Herrschaften finanziert. Seit Jahren wird über die Beschneidung von
Managergehältern und mehr Transparenz bei den zusätzlichen Verdiensten von Abgeordenten
diskutiert. Wieso gibt es keine Transparenz über Gagen von Fernsehmoderatoren,
die mit erzwungenen Beiträgen finanziert werden?
Es bleibt jedem selbst überlassen, darüber zu
entscheiden, ob und wie man sich gegen das Rundfunkbeitragsgesetz wehrt.
Ignorieren lässt es sich aber nicht. Entweder man zahlt - auch als
Nichtrundfunknutzer - Beiträge für ein Programmangebot, das man nicht nutzen kann
oder will, und erklärt damit sein grundsätzliches Einverständnis mit seiner
Existenz und seiner Gestaltung. Oder aber man akzeptiert diese Regelung nicht,
verweigert diese Zahlung und schlägt den Rechtsweg ein. Eine Alternative gibt
es nicht.
[1] Unter diesem
Begriff sind in Anlehnung an George Orwell's 1984 Begriffe zu verstehen,
die das Gegenteil von dem ausdrücken, was sie beinhalten, etwa 'Ministerium der
Liebe' = Kriegsministerium, 'Beitragsservice' = Gebühreneinzugszentrale.
[2] Die GEZ hat eine erweitete Auskunfts- und
Anzeigepflicht (§8 RBStV), Datenweiterleitung (§ 11 RBStV) und Beweislast
betroffener Beitragspflichtiger bei Wahrnehmung des
Auskunftsverweigerungsrechts (§12 RBStV) durchgesetzt. Dadurch hat sie mehr
Rechte als das Finanzamt (Wolfgang Schwab/ Dirk A. Leibfried: ARD/ZDF und
unser Geld. Edition Winterwork 2012, S. 30).
[3]
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg10-011
[4] Ausführungen
zum Verhältnismäßigkeitsprinzip in: Hans-Wolfgang Arndt/ Walter Rudolf: Öffentliches
Recht. Verlag Franz Vahlen 2007 (15. Auflage), S. 32f (126-143)
[5]
BVerfGE
83, 238, 310 nach Wolfgang Hoffmann-Riem: Finanzierung und Finanzkontrolle
der Landesmedienanstalten. Vistas 1994 (2. Auflage), S. 59. In der Folge
wird der Bundesverfassungsgerichtsbeschluss vom 6.10.1992 behandelt, auf den
sich das Rundfunkbeitragsgesetz verfassungsrechtlich beruft.
[6]
Ausführungen
zum Gleichheitssatz in: Hans-Wolfgang Arndt/ Walter Rudolf, a.A.o., S. 129f.
(491-507)
[7]
Jörn
Ipsen: Staatsrecht II. Grundrechte. Carl Heymanns 2009 (12. Auflage), S.
84f. (316-329)
[8] ebd., S. 59f.
[9] Die
bekanntesten Theoretiker hierzu sind Marshall McLuhan ('Medien verstehen',
1964; 'Das Medium ist die Botschaft', 1967) und Neil Postman ('Wir amüsieren
uns zu Tode', 1985). Einen Überblick über Fernsehkritik in der BRD bietet Knut
Hickethier: Geschichte der Fernsehkritik in Deutschland, Sigma 1994. Ein
aktuelles Beispiel ist Alexander Kissler: Dummgeglotzt - Wie das Fernsehen
uns verblödet. Gütersloher Verlagshaus 2009.
[10] Im Juni 2010 unterschrieben 150.000 Unterstützer
eine Petition der "Computer-Bild", die Kurt Beck übergeben wurde, der
Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder war (Wolfgang Schwab/ Dirk A.
Leibfried: ARD/ZDF und unser Geld. Edition Winterwork 2012, S. 28).
[11] Statistisches
Bundesamt, Wirtschaftsrechnungen, destatis 2013, S. 36
[12] ebd., S. 35;
link zum Text:
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen/LfdWirtschaftsrechnungen/EinnahmenAusgabenprivaterHaushalte2150100117004.pdf?__blob=publicationFile
[14] ebd., S. 103f.
Laut Wikipedia beläuft sich der Barwert der Altersversorgung der mit zum 30.
April 2013 aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Monika Piel auf 2,14
Millionen Euro.
[15]
Die wichtigsten Skandale der jüngeren Vergangenheit: Udo Reiter investierte als Intendant des MDR in
Moskauer Stadt- und argentinische und ecuadorianische Staatsanleihen.
MDR-Sportchef Wilfried Mohren wurde 2005 festgenommen und 2009 wegen
Vorteilsnahme verurteilt, weil er gegen Geld Veranstaltungen im Programm
platzierte. Ähnliche Vorwürfe gab es im März 2004 gegen Sportchef Jürgen Emig,
der über eine Tarnfirma Sponsorengelder am Hessischen Rundfunk vorbeischleuste.
2009 wurde bekannt, dass NDR-Fernsehspielchefin Doris Heinze unter falschem
Namen Drehbücher schrieb und dafür selbstbewilligte Honorare kassierte.
Kika-Herstellungsleiter Marco Kirchhof wickelte 2002 bis 2010 Scheingeschäfte mit
mehreren Firmen mit einem Gesamtumfang von 8,2 Mio € ab, wobei er mehr als die
Hälfte der verfahrensrelevanten 4,6 Mio € unterschlug. MDR-Unterhaltungschef
Udo Foht trieb über Jahre Gelder und Kredite von Produktionsfirmen und
Musikmanagern ein, um sie in andere MDR-Produktionen zu investieren. (Wolfgang
Schwab/ Dirk A. Leibfried, a.A.o., S. 59ff.)
[16] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/neuer-rundfunkbeitrag-jetzt-klagt-rossmann-12019094.html
[17]
Wolfgang Schwab/ Dirk A. Leibfried, a.A.o., S. 27