Montag, 9. Mai 2016

20. KEF-Bericht: Breitseite gegen den Rechtsweg



Ein Krankenhausaufenthalt hat mich daran gehindert, früher auf den 20. KEF-Bericht einzugehen, dessen wichtigste Details zuvor schon bekannt geworden waren. Dem bleibt in Hinsicht auf den Klageweg allerdings etwas hinzuzufügen, was nicht gerade optimistisch für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stimmt, und im Prinzip einen groß angelegten Aktivismus erforden würde.

Denn die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) schlägt vor, die durch Mehreinnahmen aus dem Rundfunkbeitrag entstandenen Überschüsse, die bis Ende 2016 eingefroren sind, mit dem angemeldeten Mehraufwand der folgenden Beitragsperiode zu verrechnen. Daraus folgt eine Beitragssenkung für die Zeit von 2017 bis 2020 auf €17,20. Ohne Verrechnung der blockierten Mehreinnahmen müsste der Rundfunkbeitrag bei unveränderter Anerkennung des Finanzbedarfs auf €17,76 angehoben werden. Die KEF nimmt es also als gegeben, dass die Vereinbarung des Rundfunkbeitrags mit dem Grundgesetz letztlich vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet werden wird. Das finanzielle Risiko eines Einnahmeausfalls im Falle einer anderslautenden Entscheidung wird nicht kommentiert. Über die Beitragssenkung sollen die Mehreinnahmen, die erklärtermaßen zum großen Teil auf “Direktanmeldungen” - also Mahnungen von Zahlungsverweigerern - zurückgehen, sozusagen “zurückerstattet” werden. Die KEF hält es also nach eigenem Ermessen für ausgeschlossen, dass der Rundfunkbeitrag wieder abgeschafft werden könnte, denn wenn diese Mittel erst einmal verplant worden sind, bestehen keine Rücklagen mehr, aus denen Kläger kompensiert werden könnten, wenn das Bundesverfassungsgericht auf die Grundrechtswidrigkeit des Rundfunkbeitrags erkennen würde. Aus Steuermitteln dürften diese Rückvergütungen nämlich nicht erfolgen. 

Zugleich weist die KEF aber wie im letzten Post angekündigt detailliert nach, dass in der Beitragsperiode seit Einführung des Rundfunkbeitrags 2013 massive Umschichtungen der beantragten Mittel in den Bereich der betrieblichen Altersvorsorge erfolgt sind, und dass ein erheblicher Anteil des zusätzlichen Finanzbedarfs ab 2017 ebenfalls hierfür aufgewendet werden müssen. Es werden Zweifel daran geäußert, dass die bisherigen Maßnahmen zur Kostensenkung ausreichen werden, steigende Pensionierungskosten zu verhindern. Von den Rundfunkanstalten wird ein umfassendes Konzept verlangt, dass diese Kostensteigerung bis zum nächsten Prüfbericht kalkulierbarer macht. Damit gibt die KEF trotz aller verbal geäußerter Kritik den Rundfunkanstalten letztlich nach, denn ursprünglich hätten diesem Zweck nur die Mittel zufließen dürfen, die aus dem Topf des daran gebundenen Anteils von €0,25 pro monatlichem Rundfunkbeitrag gebildet werden. Die KEF kapituliert damit vor der im Budgetabgleich gut nachvollziehbaren Tatsache, dass die Anstalten mit ihren Einnahmen letztlich tun, was sie wollen. 

Fairerweise muss dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugestanden werden, dass sie nicht für die Mehrkosten des Pensionsaufwands verantwortlich sind. Denn der dafür gebildete Kapitalstock wirft aufgrund der Nullzinspolitik der EZB keine Erträge mehr ab. In der Vergangenheit getätigte Investitionen mit höherer Rendite wurden im Zuge eines strengeren Monitoring aufgrund der Finanzskandale beim MDR abgeschafft. Eine Steigerung von 5,25% wie im Bericht angegeben entspricht anderen Betriebsrenten im öffentlichen Dienst, so großzügig sie Beschäftigten im Privatsektor und vor allem Geringverdienern auch erscheinen mag. Es ist allerdings auch richtig, dass öffentliche Angestellte in fast jedem anderen Fall aus Steuermitteln entlohnt werden. Während Geringverdiener weniger oder keine Steuern zahlen, und somit nicht zur Entlohnung von Staatsdienern beitragen, bleibt ihnen bei der Vergütung von Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keine Wahl. Ein weiteres rechtliches Argument gegen den Rundfunkbeitrag stellt dies aber meines Wissens nicht dar, da dieser dem Verwaltungsrecht unterliegt, das diese Problematik nicht abdeckt. Das kann es im übrigen auch kaum, da dieser Sachverhalt durch den Rundfunkbeitrag neu entstanden ist.

Für den Widerstand gegen den Rundfunkbeitrag bedeutet dies, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch dieses Jahr erfolgen müsste. Denn nur dann ließe sich die Verplanung der blockierten Mehreinahmen von €1,5 Mrd. noch verhindern. Sind diese Mittel erst einmal verplant oder aufgebraucht, kann das Bundesverfassungsgericht nicht gegen den Rundfunkbeitrag entscheiden, ohne die Betriebsfähigkeit des öffentlich-rechlichen Rundfunks zu gefährden - was zugleich als Begründung dazu verwendet werden kann, dieses Konstrukt trotz grundrechtlicher Bedenken bestehen zu lassen. Beabsichtigt oder nicht, die KEF fällt mit dieser Entscheidung dem rechtlichen Widerstand in den Rücken. Sie erleichtert dem Bundesverfassungsgericht eine auf funktionalen Beweggründen beruhende Entscheidung und kapituliert vor dem Status Quo. 

Wenn man allerdings davon ausgeht, dass ein Entschädigungsanspruch für zu Unrecht geleistete Beiträge nur denen zugute kommen würde, die tatsächlich den Rechtsweg beschritten haben - wie etwa beim Kippen der Einschränkung der Kilometerpauschale -, wäre die betreffende Summe überschaubar. Bei insgesamt etwa 4000 Klagen unter Annahme meines eigenen Streitwerts wären dies € 2 Mio. Allerdings ist schwer vorherzusehen, wie viele Klagen neu eingereicht würden, sollte das Bundesverfassungsgericht  eine Grundrechtswidrigkeit des Rundfunkbeitrags erkennen. Die gesperrten Mehreinnahmen wären definitiv erforderlich, um eine Übergangslösung bis zur Wiedereinführung von Rundfunkgebühren oder Neueinführung einer Mediensteuer zu ermöglichen. Daher bleibt zu hoffen, dass sich der Entscheid des Bundesverfassungsgerichts nicht bis ins nächste Jahr hinzieht. Überraschend wäre dies allerdings nicht. Mir selbst liegt noch kein Kostenfestsetzungsbeschluss vor. Ich gehe daher davon aus, dass mein Verfahren weiterhin ruht.

Die wichtigsten Einzelinformationen aus dem 20. KEF-Bericht sind folgende Textstellen; ich erweitere diesen Teil in den nächsten Tagen nach und nach, da ich gesundheitlich noch nicht wieder auf voller Höhe bin. 379 Seiten in einigen Zitaten zusammenzufassen ist aufwendiger, als es vielleicht den Anschein hat. Im übrigen wird es wohl nur wenige geben, die sich mit dem Zahlenwerk eingehend beschäftigen wollen, ohne gleich den ganzen Bericht zu lesen. Dieser kann unter kef-online.de/inhalte/bericht20/20_KEF-Bericht.pdf abgerufen werden.  

S.16: ARD und ZDF melden für 2017 bis 2020 einen Finanzbedarf von 38.517,6 Mio. € an. Das sind im 3.534,2 Mio. € oder rund 10% mehr als 2013 bis 2016. Nach Abzug der Mehreinnahmen aus Rundfunkbeiträgen verbleiben 2.025,2 Mio. €. Davon sind 470,6 Mio. € ungedeckt. Die KEF verringert den Finanzbedarf nach eingehender Prüfung um 965,7 Mio. €. Dadurch ergibt sich ein Überschuss von 542,2 Mio. €. Auf dieser Grundlage wird eine Beitragssenkung um 30 Cent vorgeschlagen.

S.19: Die KEF erkennt für 2017 bis 2020 einen Programmaufwand von 16.653,6 Mio. € an. Beim Personalaufwand ohne Altersversorgung erkennt die Kommission einen Finanzbedarf von 8.742,3 Mio. € an. Der Personalbestand von ARD und ZDF wird weiter reduziert, wobei diese Einsparungen in der ARD nahezu ausschließlich beim BR und beim WDR erbracht werden. Das ZDF setzt ein eigenes Konzept zur Konsolidierung bis 2020 um, womit allerdings “Fehlsteuerungen” aus 2007-2010 korrigiert werden. ARD und ZDF haben vor, Aufwendungen für Programm- und Sachaufwand in den Personalaufwand umzuschichten. Die KEF kritisiert, dass diese Maßnahmen ad hoc erfolgen und nicht in ein umfassendes Personalkonzept eingebunden sind. Sie weist auf die hohen Nettoaufwendungen der betrieblichen Altersversorgung von 2.115,0 Mio. € hin. 

S.20: Die KEF hält es für notwendig, den für die Altersversorgung zweckgebundenen Beitragsanteil von 25 Cent über 2016 hinaus fortzuführen. Sie erkennt hierfür die von den Anstalten angemeldete Summe von 451,3 Mio. € an.
 
S.21: Da bei den Produktionsbetrieben keine substantiellen Verbesserungen der Wirtschaftlichkeit erkennbar sind und die Anstalten auch weiterhin kein verbessertes Benchmarking durchführen, nimmt die Kommission bei der ARD einen Abschlag von 17,2 Mio. € bzw. beim ZDF von 1,8 Mio. € vor. Aufgrund der festgestellten Unwirtschaftlichkeiten im Zusammenhang mit der Absetzung des Formats „Gottschalk live“ nimmt die Kommission bei der ARD einen weiteren Abschlag von 2,1 Mio. € vor.
 
S.28: Der angemeldete ungedeckte Finanzbedarf für 2017 bis 2020 beträgt insgesamt 435,7 Mio. €. Davon entfällt auf die ARD ein Fehlbetrag von 395,6 Mio. €, das ZDF meldet einen Überschuss von 4,5 Mio. € und das Deutschlandradio einen ungedeckten Finanzbedarf von 44,5 Mio. € an. Hinzu kommt noch der angemeldete ungedeckte Finanzbedarf von ARTE in Höhe von 34,9 Mio. €. Die unveränderte Anerkennung dieses verbleibenden Fehlbetrags von insgesamt 470,6 Mio. € würde zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags um monatlich 26,3 Cent führen.

S. 36: Insgesamt ist der von der ARD im 20. Bericht angemeldete Aufwand für 2013 bis 2016 um 428,9 Mio. € größer als im 19. Bericht anerkannt. Zugleich wurden aber für das Programm 126,9 Mio. € weniger aufgewendet als von der Kommission anerkannt. Auch der Aufwand für die Programmverbreitung liegt mit 96,6 Mio. € unter der Feststellung im 19. Bericht. Diese Abweichungen führen überwiegend zu Umschichtungen in den Personalaufwand. Alle anderen Aufwandsbereiche des Bestandsaufwands mit Ausnahme der Investitionen (-175 Mio. €) zeigen einen Mehraufwand: Personalaufwand ohne Altersversorgung 149,6 Mio. €, betriebliche Altersversorgung 184,5 Mio. € sowie Sachaufwand 92,1 Mio. €. Insgesamt werden daher ca. drei Viertel des zusätzlichen Aufwands (334,1 Mio. € von 429 Mio. €) im Bereich Personal eingesetzt.

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